Letzter Tag im Jahr, keine Party geplant – was gibt es da Besseres als auf ein Konzert zu gehen? Zumal es sich die Lieblingsband handelt, die sich zudem auch noch ein ganz besonderes Schmankerl ausgedacht hat. Vor nunmehr zwanzig Jahren haben AMORPHIS mit „Tales from the thousand lakes“ ein Album veröffentlicht, das Geschichte schrieb. Das soll heute gefeiert werden, also auf nach Essen in die Weststadthalle.
Einlass und Garderobe sind schnell erledigt, da noch nicht viel los ist. Erstmal orientieren, Freunde begrüßen und den Merchandisestand checken. Dann ist es auch schon 19 Uhr und die Vorband AVATARIUM betritt die Bühne. Ich gebe zu, ich war im Vorfeld zu faul in ihre Musik reinzuhören, so dass ich mich einfach überraschen lasse.
Die Schweden um Frontfrau Jennie-Ann spielen eine Mixtur aus Doom Metal und Rock´N´Roll. Deftige Gitarrenriffs treffen auf Hammondorgelsounds und einen wummernden Bass. Hier und da kommt auch eine Semi-Akustikgitarre zum Einsatz, die von Jennie-Ann enthusiastisch traktiert wird. Auch sonst ist sie sehr extrovertiert, verrenkt sich und beleuchtet die Entstehung der Lieder in ihren Ansagen. Von Song zu Song können AVATARIUM immer mehr Leute auf ihre Seite ziehen, so dass der Beifall immer lauter wird. Das von Leif Edling, der live am Bass von Ander Iwers vertreten wird, geschriebene „Pandora´s Egg“ versetzt einen in andere Sphären, und auch das letzte Stück „Avatarium“ ist ein richtiger Earcatcher. Am Ende verabschieden sich die sympathischen Fünf mit vielen guten Wünschen und viel Dank vom Essener Publikum und können nicht wenige Zugabe-Rufe für sich verbuchen.
Setlist: Moonhorse – Bird Of Prey – All I Want – Tides Of Telepathy – Deep Well – Pandora´s Egg – Avatarium
In der Umbaupause wird emsig sämtliches Equipment und Kabelage der Vorband abgebaut, die Custom-Trittkisten und Tomis Mördermikroständer aufgestellt und noch ein letzter Line Check durchgeführt. Es ist 20.20 Uhr als ein Stagehand das Zeichen mit der Taschenlampe gibt und prompt die Pausenmusik verklingt. Dann ertönt das Intro und allerorts wartet man gespannt, dass die Finnen die Bühne betreten. Jan entert zuerst sein Drumpodest und lässt sich kurz beklatschen, ehe die anderen fünf auftauchen.
Zuallererst wird selbstredend das „Tales From The Thousand Lakes” Album in chronologischer Reihenfolge dargeboten. Ergriffen lausche ich den Songs, die ich bis auf „Black Winter Day“ und „Magic And Mayhem“ noch nie live gehört habe. Die Keyboardsounds klingen streckenweise etwas moderner. Auch der Sound könnte ein bisschen weniger basslastig sein. Nichtsdestrotrotz ist es ein wunderbares Erlebnis. Tomi bekommt die Wechsel zwischen Growls und klarem Gesang wunderbar hin und hat sichtlich Spaß an den alten Stücken. Vor „Black Winter Day“ berichtet er, wie er über Videotape-Trading das erste Mal mit diesem Song in Berührung kam. Die Saitenmannschaft lässt unterdessen soweit vorhanden ihre Haare fliegen und wirft sich in Pose. Für Lacher sorgt der Frontmann wenig später indem er mit dem Schellenkranz einen Rhythmus anschlägt, das Grinsen anfängt und erklärt, dass sich das Ganze doch arg nach einem Soundtrack für einen 80er Jahre Pornofilm anhört, wo der Kerl einen Bart und einen großen Penis hat und dann mal eben ganz undezent bemerkt, dass sein Gitarrist Esa ja Bartträger ist und gut bestückt wäre. Ob der Gepiesackte bis über beide Ohren rot wird kann man aufgrund der Lichtverhältnisse nicht beurteilen, und da er kein Mikrofon zur Verfügung hat um sich sprachlich zu wehren, bleibt ihm nichts anderes übrig als gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Hiernach wird sich wieder ganz auf die Musik konzentriert und nach dem letzten Song der Platte stellt sich eine allgemeine Glückseligkeit ein.
AMORPHIS verlassen unter dem Beifall der Fans die Bühne, nur um kurze Zeit später zum Karelia-Intro zurückzukehren. Jetzt wird ein Klotz draufgelegt und der Verzerrer hochgezogen. „The Gathering“ knallt schon ganz ordentlich, aber der Rhythmusstampfer „Sign From The Northside“ macht einfach noch mehr Spaß. Eigentlich könnten hier ruhig noch ein paar mehr Haare fliegen… Bei „Vulgar Necrolatry“ wird dann Death Metal pur geboten.
Im Zugabenteil widmen sich AMORPHIS dann dem „Elegy“-Album. „My Kantele“ wird mit einem schönen Gitarren/Keyboard-Vorspiel eingeleitet, ehe nach dem Instrumental „Folk Of The North“ endgültig Schluss ist und sich die Finnen zur fast schon traditionellen Eläkeläiset-Version von „House Of Sleep“ vom Essener Publikum verabschieden.
Setlist: Thousand Lakes (Intro) - Into Hiding – The Castaway – First Doom – Black Winter Day – Drowned Maid – In The Beginning – Forgotten Sunrise – To Father´s Cabin – Magic And Mayhem II Karelia Intro – The Gathering – Sign From The Northside – Vulgar Necrolatry II Piirpauke-intro – Better Unborn – Against Widows – My Kantele – Folk Of The North
Bäm! Schon vorbei?! Es ist gerade mal 22.15 Uhr. Können wir nicht bitte noch eine Zugabe bekommen? Nein? Schade. Aus Mangel an Ideen und Silvesterunlust begebe ich mich zurück in Richtung Heimat und lasse den Abend gemütlich ausklingen. Euch allen einen guten Rutsch und ein angenehmes 2015.